Stärkung von Minderheitenrechten: Offener Brief an die CDU-Fraktion

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Lieber Herr Trepoll,

Ihre Äußerungen gegenüber den Medien und in der gestrigen Sitzung führen mich zu der Annahme, dass Sie sich den akademischen Regeln und Usancen stark verpflichtet fühlen. Denn in der Wissenschaft ist es nicht nur eine Usance, sondern eine sanktionsbewehrte Regel, dass wörtlich oder sinngemäß übernommene Passsagen anderer Autoren als solche kenntlich gemacht und zitiert werden müssen. Fragen Sie mal u.a. Ihre Unionskollegen/in zu Guttenberg und Schavan, welche Folgen ein Zuwiderhandeln haben kann.

Unter Journalisten und Politikern ist das anders. Journalisten zitieren ihre Quellen und von anderswo übernommenen Passagen häufig nicht und schreiben umfangreich voneinander (und von wissenschaftlichen Autoren) ab, ohne dass es dort kritisiert oder gar als Plagiat bezeichnet würde. Ebenso ist es „in der Politik“ nicht üblich, auf frühere Positionierungen anderer, die in die gleiche Richtung gehen, explizit zu verweisen (außer man will sich von der „völlig abwegigen Position“ des Abgeordneten X aus der Y-Fraktion distanzieren).

Das AfD-Papier zur Stärkung der Minderheitenrechte beansprucht im Übrigen keineswegs (weder explizit noch implizit) eine originelle Erst-Urheberschaft, wenngleich uns beim Schreiben nicht erinnerlich war, dass wir das schon einmal diskutiert hatten. Es ging uns um die Betonung des für uns wichtigen Punktes „Minderheitenrechte bei Ausschussüberweisungen“. Wenn ich Ihnen damit eine Freunde machen kann, werden ich bei diesem Thema zukünfig immer „Copyright Trepoll“ erwähnen. Da der Unterausschuss bisher zwar viel diskutiert, aber wenig beschlossen hat, da dies einem „Gesamtpaket vorbehalten“ bleiben soll, ist es legitim, dass die AfD-Fraktion ihren wichtigsten Punkt vor der Formulierung eines Gesamtpaketes deutlich macht.Auch andere Diskussionspunkte (z.B. „wissenschaftlicher Dienst“) waren bereits früher von (fast) allen negativ kommentiert (und also quasi abgelehnt) worden und tauchten dennoch später als Thema wieder auf.

Das Papier ist für den Unterausschuss „Stärkung der Bürgerschaft“ geschrieben worden. Dass wir es dann schon vorher der Presse bekannt gegeben haben, haben wir als Methode von Ihnen gelernt. Ich erinnere mich an etliche Themen, die ich schon am Dienstag oder Mittwoch vor der Behandlung in der Bürgerschaft im Hamburger Abendblatt gelesen habe (mit Statement von Frau Prien oder von Ihnen, versteht sich). Sie sehen, wir lernen von unseren erfahrenen Kollegen.

Im Übrigen werden Sie sicher verstehen, dass jede Partei, die im Parlament diskriminiert und unfair behandelt wird, sich andere Wege der Publikation suchen muss und wird. Und es ist keineswegs adäquat, dies mit strengem Blick und erhobenem Zeigefinger zu kritisieren, wie das in der gestrigen Sitzung der Fall war.

Zum Thema „plagiatsähnliche Übernahmen“ fällt mir noch ein, dass ich eine meiner ersten Reden in der Bürgerschaft zum Antrag der CDU-Fraktion „Moderne Netze – Schnelles Internet für alle in Hamburg“ (Drs 21/169) gehalten habe. Da ich schon beim ersten Lesen mehrere fachliche Mängel festgestellt hatte, habe ich etwas gegoogelt und festgestellt, dass Ihr Antrag einem Antrag Ihrer Parteifreunde in NRW „sehr ähnlich“ war, wobei Sie die Fehler gleich mit übernommen haben und die inhaltlich gravierenden Unterschiede zwischen einem Flächenland wie NRW und einem Stadtstaat wie Hamburg ignoriert haben. Da ich damals aus einer „anderen Welt“ kam (nämlich der Wissenschaft) hatte mich das sehr gestört und ich hatte es mir deshalb auch gemerkt. Nach der Erfahrung von einem Jahr Bürgerschaft sehe ich das jetzt entspannter.

Mit besten Grüßen
Jörn Kruse

Bildnachweis: „Jan von Uxkull-Gyllenband/shutterstock