Mit der Antwort auf die Kleine Schriftliche Anfrage zum Thema „Elternwahlrecht und Gymnasialempfehlung“ hat der Senat brisantes Zahlenmaterial veröffentlicht: Im Untersuchungszeitraum der Schuljahre 2011/12-2013/14 betrug der Anteil der Schüler der Jahrgangsstufe 5 ohne Gymnasialempfehlung an Hamburger Gymnasien im Schnitt zwischen 27 und 30 Prozent. An 14 von insgesamt 71 Gymnasien wurden im Untersuchungszeitraum komplette Jahrgänge mit einem Anteil der Schüler ohne Gymnasialempfehlung von über 50 Prozent aufgenommen. An 12 dieser Schulen betrug der Anteil in einzelnen Jahrgängen über 70 Prozent, an 3 Schulen über 90 Prozent und an 7 Schulen genau 100 Prozent!
Der AfD-Abgeordnete und Initiator der Anfrage Dr. Alexander Wolf stellt dazu fest: „Meine schlimmsten Befürchtungen haben sich leider bestätigt. Der Anteil an Schülern ohne Gymnasialempfehlung übersteigt inzwischen eine kritische Grenze.”
Als Grundproblem identifiziert Wolf den im Hamburgischen Schulgesetz festgeschriebenen Vorrang des Elternwahlrechts vor der Empfehlung der Grundschule über die Art der weiterführenden Schule. „Einerseits ist der elterliche Wunsch nach der bestmöglichen Schule und dem höchstmöglichen Schulabschluss für die eigenen Kinder sehr verständlich. In diesem Sinne ist auch der Erhalt des Elternwahlrechts grundsätzlich zu befürworten. Andererseits führt das zu Konstellationen an zahlreichen Hamburger Gymnasien, in denen mehrheitlich Schüler in einer Klasse sitzen, die aufgrund ihrer bisher erbrachten Grundschulleistungen, den gymnasialen Anforderungen wohl nicht im erwünschten Maße gewachsen sein könnten.“ In dieser Entwicklung sieht Wolf Verlierer auf beiden Seiten. „Die leistungsstarken Schüler, die ebenso ein Recht auf Bildung haben, leiden unter einem langsameren Lerntempo und einer geringeren Vertiefung des vermittelten Wissens. Die leistungsschwächeren Schüler hingegen fühlen sich zunehmend gestresst und überfordert.“ Diese heterogenen Lernvoraussetzungen innerhalb einzelner Lerngruppen können nach Ansicht Wolfs „auch nicht durch noch so gut ausgeklügelte Lernmethoden der Binnendifferenzierung kompensiert werden, wie mir praxiserfahrene Lehrer aus dem Hamburger Schuldienst berichten“.
Wolfs Fraktionskollege Dr. Bernd Baumann kritisiert die Verantwortlichen in der Schulpolitik scharf: „Offensichtlich will der Senat durch die Hintertür die Gymnasien abschaffen und zu Gesamtschulen etablieren. Das widerspricht jedoch dem Charakter des Hamburgischen Schulgesetzes, in dem zwischen Gymnasien und Stadtteilschulen mit unterschiedlichen Bildungszielen und Schwerpunkten differenziert wird.“ Das Problem wird sich nach Ansicht Baumanns in Zukunft weiter verschärfen: „Eltern eines Kindes mit guten Lernleistungen und Gymnasialempfehlung werden sich genau überlegen, ob sie ihr Kind nach der Veröffentlichung dieser Zahlen auf eines dieser Gymnasien schicken. Damit wird sich der Trend zu besseren und schlechteren Gymnasien in Hamburg weiter fortsetzen.“
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Prof. Dr. Jörn Kruse stellt einen Lösungsansatz zu dem Problem vor: „Wir als AfD fordern grundsätzlich eine gemeinsame Entscheidung von Schule und Eltern für die richtige Wahl der weiterführenden Schule. Bei einem Dissens zwischen Schule und Eltern sollen aber schriftliche Prüfungen entscheiden. Das ist aus unserer Sicht ein fairer Weg den unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüler mit der Wahl der für sie passenden Schulform gerecht zu werden. Das würde auch die ideologisch motivierte Entwertung der Gymnasien durch rot-grün, die durch den einseitigen Vorrang des Elternwahlrechts forciert wird, entgegenwirken.“
Quellen:
- Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage: „Elternwahlrecht und Gymnasialempfehlung auf dem Prüfstand“
Bilder:
- Im Bild das Matthias-Claudius-Gymnasium. Hier wurden im Schuljahr 2013/14 101 Schüler (91,0%) ohne Gymnasialempfehlung in die Jahrgangsstufe 5 aufgenommen.
„MCG 2008“ von Holger.Ellgaard – Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons – Link zum Bild