Am kommenden Mittwoch findet die konstituierende Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft statt. Damit beginnt die 23. Wahlperiode. Die konstituierende Sitzung wird traditionell bis zur Wahl eines Bürgerschaftspräsidenten vom Alterspräsidenten geleitet.
Die Regelung, den ältesten Abgeordneten als Alterspräsidenten die Sitzung eröffnen zu lassen, lässt sich auf die erstmalige Bildung eines gesamtdeutschen Parlaments in der Paulskirche 1848 zurückverfolgen. Seit spätestens 1946 besteht auch in Hamburg ein ununterbrochener Parlamentsbrauch, dass der an Lebensjahren älteste Abgeordnete als Alterspräsident der Bürgerschaft fungiert. Nach der letzten Bürgerschaftswahl stünde die Rolle des Alterspräsidenten damit dem AfD-Abgeordneten Dr. Dr. Joachim Körner (77 Jahre) zu.
Die Präsidentin der 22. Wahlperiode, Carola Veit, und SPD, CDU, Grüne und Linke wollen aber verhindern, dass der an Lebensjahren älteste Abgeordnete die Sitzung als Alterspräsident eröffnet. Sie berufen sich darauf, kurz vor Ablauf der Wahlperiode im Januar 2025 die Geschäftsordnung der Bürgerschaft der 22. Wahlperiode dahingehend geändert zu haben, dass künftig das der Bürgerschaft am längsten angehörige Mitglied die Position des Alterspräsidenten einnehmen soll. In diesem Falle wäre dies der CDU-Abgeordnete Ralf Niedmers (57 Jahre).
Die Geschäftsordnung der Bürgerschaft der 22. Wahlperiode gilt jedoch nach dem Verfassungsgrundsatz der Diskontinuität nicht fort. Die neue Bürgerschaft ist an die alte Geschäftsordnung nicht gebunden. Der Grundsatz der Diskontinuität stellt sicher, dass ein neu gewähltes und neu zusammengesetztes Parlament nicht an die Entscheidungen von früheren, mittlerweile abgewählten Parlamenten gebunden ist. Bis zur Verabschiedung einer Geschäftsordnung durch die neue Bürgerschaft verfährt das Parlament daher nach Gewohnheitsrecht. In einem Antrag für die konstituierende Sitzung legen mehrere AfD-Abgeordnete der 23. Wahlperiode dar, warum der parlamentarische Brauch gebietet, dass das an Lebensjahren älteste Mitglied die konstituierende Sitzung eröffnet (Drucksache 23/X). Darin wird auch erklärt, warum die einmalige Willensbekundung der Bürgerschaft der 22. Wahlperiode keine Verfassungsgrundsätze aushebeln und eine 78 Jahre alte Hamburger Parlamentspraxis durchbrechen kann.
Dazu der designierte Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion in der 23. Wahlperiode, Krzysztof Walczak:
„Wir fordern die Einhaltung fundamentaler Verfassungsgrundsätze und den Respekt vor einer in Hamburg seit 78 Jahren ununterbrochen praktizierten Parlamentstradition: Seit der ersten demokratischen Wahl der Bürgerschaft im Jahre 1947 wurde das Parlament zweiundzwanzig Mal in Hamburg vom ältesten Abgeordneten als Alterspräsident eröffnet. Und jetzt soll das beim dreiundzwanzigsten Mal plötzlich nicht gelten? Noch nie wurde die Bürgerschaft vom dienstältesten Abgeordneten eröffnet. Das sind Tatsachen, die nicht durch eine offensichtlich parteipolitisch motivierte, einmalige Änderung der Geschäftsordnung der vergangenen Wahlperiode beseitigt werden können. Die neue Bürgerschaft ist an die alte Geschäftsordnung nicht gebunden, das belegt die parlamentarische Praxis seit 1947 ebenfalls. Der 78 Jahre alte parlamentarische Brauch eines Alterspräsidenten nach Lebensalter besteht weiterhin, auch wenn hart daran gearbeitet wird, die Geschichte in diesem Punkt zu leugnen und zu verdrehen.
Es ist ein politisches Armutszeugnis, bewährte demokratische und parlamentarische Traditionen zu brechen und sie dem reinen parteipolitischen Machtkalkül zu opfern. Die AfD hat sowohl 2015 nach ihrem erstmaligen Einzug als auch 2020 nach ihrem Wiedereinzug ins Hamburger Parlament akzeptiert, dass das an Lebensjahren älteste Mitglied der Bürgerschaft als Alterspräsident die konstituierende Sitzung eröffnet, auch wenn diese Personen nicht im Besitz eines AfD-Parteibuchs waren. Scheinbar ist die demokratische Gesinnung unserer Konkurrenten mittlerweile so unterentwickelt, dass sie nicht ertragen können, wenn der Alterspräsident von der AfD gestellt wird. Das ist ein Angriff auf die Fundamente unserer demokratischen Kultur und Legitimation des Staates. Wie sollen AfD-Wähler eigentlich einem Staat vertrauen können, in denen eherne, traditionsreiche Grundsätze unserer parlamentarischen Demokratie bewusst über Bord geworfen werden, nur um die AfD auszugrenzen?
Wir werden diese Missachtung demokratischer und parlamentarischer Traditionen nicht unwidersprochen hinnehmen. Den Kollegen Niedmers schätzen wir zwar als Person sehr – trotzdem ist er bei Würdigung der letzten 78 Jahre nicht der Alterspräsident. Der wahre Alterspräsident ist der Abgeordnete Dr. Körner und dieser hat das Recht, die Sitzung zu leiten, bis ein Bürgerschaftspräsident gewählt wurde oder die neu gewählte Bürgerschaft zwischenzeitlich etwas anderes entscheidet.“