"Der Rundfunkbeitrag ist wie eine Steuer zu behandeln"

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Prof. Dr. Jörn Kruse in seiner Bürgerschafts-Rede vom 20.01.2016 zum Antrag der Fraktion DIE LINKE „Rundfunkbeitrag endlich sozial gestalten – Zwangsvollstreckungen aussetzen“ (Drucksache 2758)

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Auf den ersten Blick ist das ein typischer Linken-Antrag: Die wollen mehr für Ihre Klientel (oder mindestens für deren Optik), und zwar wie immer auf Kosten der Allgemeinheit. Aber der Antrag wirft auch eine grundsätzlich Frage auf, nämlich die nach der Legitimität der Höhe der Rundfunkgebühren (bzw. heute Rundfunkbeitrag). Das ist eine eminent wichtige Frage. Ich beurteile diese natürlich nicht aus juristischer, sondern aus ökonomischer Perspektive.

Die Umbenennung von „Rundfunkgebühr“ zu „Rundfunkbeitrag“ und die neue Beitragsstruktur zeigt noch deutlicher als vorher, dass der Rundfunkbeitrag de facto eine Steuer ist. Ökonomen haben da keinen Zweifel. 4 von 5 Kriterien für eine Steuer sind erfüllt – nur das Nonaffektationsprinzip nicht, da das Aufkommen nicht zur Gesamtdeckung der staatlichen Haushalte verwendet wird, sondern nur an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fließt.

Vor allem ist es eine staatliche Zwangsabgabe ohne direkte Gegenleistung. Der Rundfunkbeitrag ist auch deshalb wie eine Steuer zu behandeln, weil der Staat – und damit die Parteien, die in den Ländern die Macht haben – über deren Höhe entscheidet.

Der Hinweis auf die KEF („Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“) ist dabei eine Verschleierung, weil die KEF den Rundfunkanstalten immer gibt, was sie wollen, allenfalls gekürzt um ein paar Wirtschaftlichkeitsabschläge. Die KEF kann und soll (nach dem Willen der Parteien) aber nicht die eigentlich relevanten politischen Entscheidungen treffen, nämlich die über den Umfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, seine Qualität, seine Einschaltquoten-Orientierung in der Programmpolitik und vor allem sein Wettbewerbsverhältnis zum privaten Fernsehen. Weil Letzteres von zentraler Bedeutung ist, sollten die Entscheidungen über die Höhe des Rundfunkbeitrages auch nicht von der Politik, sondern vom Bundeskartellamt oder von der Monopolkommission getroffen oder mindestens jedes Mal überprüft und genehmigt werden.

Der Zusammenhang ist offenbar vielen nicht klar. Ein hohes Rundfunkbeitrags-Aufkommen (also ein hohes Budget für die Rundfunkanstalten) erlaubt diesen nicht nur die Produktion und Ausstrahlung vieler und publikums-attraktiver Programme, sondern gibt diesen auch alle Möglichkeiten, dem privaten, werbefinanzierten Fernsehen auf den Input-Märkten die wertvollen Rechte und Top-Inputs wegzukaufen (Kunststück, wenn man eine so tiefe Tasche aus Zwangsbeiträgen hat und sich nicht am Markt refinanzieren muss), so dass diese weniger Einschaltquoten und damit weniger Erlöse haben. Dies betrifft vor allem (aber nicht nur) „Positionalgüter“, also top-attraktive Inputs und Rechte, z.B. für die Fußball-Bundesliga und andere Sportrechte für hochattraktive Events, womit sie die Preise für diese Rechte erheblich in die Höhe treiben.

Die Parteipolitiker entscheiden also bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags über Existenz, Größe und Wettbewerbsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen ebenso wie des privaten Fernsehens. Und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist das mehr als bewusst. Sie verhalten sich deshalb freundlich zu den etablierten Parteien, die in den jeweiligen Ländern das Sagen haben – und die außerdem in ihren Rundfunk-Gremien sitzen.

Sie machen wohlwollende, allenfalls moderat-kritische Kommentare in den politischen Sendungen, laden deren Politiker extensiv in Talkshows ein (und andere nicht oder weniger) und führen nette Interviews. Bei der Kanzlerin würde ich die Fragesteller (richtiger wäre wohl Stichwortgeber) manchmal geradezu devot nennen. Kritischer Journalismus sieht anders aus. Bei den etablierten Politikern kann man sich übrigens auch beliebt machen, indem man auf die politischen Konkurrenten der Etablierten ordentlich draufhaut – oder sie wahlweise auch ganz ignoriert.

Das ist seit langem so. Das weiß ich sehr genau, weil ich mich vor mehr als 10 Jahren einmal intensiv aus ökonomischer Sicht mit den Zusammenhängen zwischen Rundfunkgebühren, Programmpolitik und den Interessen der Beteiligten befasst habe. Die Rundfunkanstalten wissen sehr genau, warum sie sich so verhalten, nämlich um ihre eigenen Privilegien zu verteidigen, die von der Höhe des Rundfunkbeitrags abhängen. Und die nicht am Markt verteidigt werden müssen, wie das bei privaten Rundfunkveranstaltern der Fall ist.

Und die Parteien wissen auch, was sie tun. Wenn die reichweitenstarken Programme privat wären, müssten sie sehr viel kritischere Kommentare und Interviews gewärtigen als von Journalisten, in deren Gremien sie sitzen und über deren Karriere sie entscheiden. Wenn ich polemisch wäre, würde ich das „Kumpanei zwischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und etablierten Parteien“ nennen.

„Partielle Ersatz von kritischem Journalismus durch Volksbelehrung“

Der partielle Ersatz von kritischem Journalismus durch Volksbelehrung und Pädagogisierung, als wären die Bürger kleine dumme Kinder, ist seit langem ein Teil der öffentlich-rechtlichen Programme. Dass sie allerdings so verantwortungslos Fakten unterdrücken und das Volk (das sie finanziert) beschwichtigen und belügen, wie sie das beim Thema Zuwanderungskrise (und speziell beim Thema Silvester in Köln und anderswo) tun, macht selbst mich fassungslos.

Viele meiner Ökonomen-Kollegen (überwiegend Neoliberale wie ich selbst) sind der Auffassung, der Rundfunkbeitrag sei inzwischen als Folge des technischen Fortschritts obsolet und könne ebenso abgeschafft werden wie der ganze öffentlich-rechtliche Rundfunk. Ich schließe mich dieser strikten und extremen Position ausdrücklich nicht an. Aber auf den Prüfstand gehört die Höhe des Rundfunkbeitrages, wie es Gegenstand des Linken-Antrages ist.

Das Argument vieler Ökonomen ist, dass das Nicht-Ausschluss-Prinzip schon lange nicht mehr gilt, obwohl es früher einmal die zentrale ökonomische Begründung für die Rundfunkgebühren war. Diese Tatsache lässt sich auch nicht bestreiten. Seit der Digitalisierung wäre es sogar für sämtliche Distributionswege (Kabel, Satelliten, Terrestrik, Internet) problemlos anwendbar.

Weshalb ich nicht für eine Abschaffung des Rundfunkbeitrags und des öffentlich-rechtlichen Fernsehens eintrete, – (das ist meine persönliche Meinung und nicht diejenige aller meiner Fraktionskollegen und Parteifreunde) – hängt damit zusammen, dass ich davon ausgehe, dass bei einer freien Marktkonkurrenz zwischen dem direkt-ausschlussfähigen Pay-TV (Abo-TV) und dem komplementär-ausschlussfähigen werbefinanzierten Fernsehen der Zuschaueranteil von Letzterem riesig wäre, und somit das meiste „normale Fernsehen“ dauernd durch Werbespots unterbrochen würde. Das Fernsehen in den USA ist hierfür ein abschreckendes Beispiel. Die meisten Deutschen wollen das sicher nicht, bzw. sie würden es nicht wollen, wenn sie die Alternativen kennen würden.

Damit kommen wir wieder zur Höhe des Rundfunkbeitrages und damit zu den Erlösen und den Budgets der Rundfunkanstalten. Diese bestimmen hier nämlich die Wettbewerbsfähigkeit und nicht umgekehrt, wie sonst üblich. Es stellt sich die Frage, welche Sendeinhalte so wichtig, wertvoll und unverzichtbar sind, und die sonst nicht (oder nicht in dieser Qualität) zu sehen sind, dass eine Zwangsfinanzierung über den Rundfunkbeitrag legitimiert ist. Dies ist die Frage nach dem meritorischen Charakter von Sendeinhalten.

Dies kann z.B. grundsätzlich angenommen werden für bestimmte Sendungen über Kultur, Politik, Dokumentationen, etc. sowie weniger populäre (und damit billigere) Unterhaltungs-Inhalte, weniger populäre (und damit billigere) Sport-Events, z.B. in Rand-Sportarten. Wenn wir einen so strengen Maßstab anlegen, könnten wir vermutlich den Rundfunkbeitrag halbieren oder dritteln und die Hälfte aller Haushalte ganz befreien, wie die Linken das vermutlich wollten, ohne dass andere mehr zahlen müssten.

Bei einem weniger strengen Maßstab, also z.B. bei einem Verbot des Erwerbs positionaler (und damit besonders teurer) Sportrechte (z.B. Fußball-Bundesliga, Champions League, Pokal, WM, Olympia etc.) und z.B. Top-Spielfilmrechte und Top-Unterhaltungsware aller Art, könnten wir problemlos die Haushalte mit eher geringem Einkommen und alle sozialen Einrichtungen (also alles, was die Linken im Sinn haben) von den Rundfunkbeiträgen befreien. Wie soll man den Bürgern (insb. solchen mit geringem Einkommen) erklären, dass sie für den Erwerb von Fußballbundesliga-Rechten Zwangsbeiträge zahlen sollen, obwohl sie das andernfalls bei RTL, SAT1 oder sonstwo gratis sehen könnten.

Also man könnte den Rundfunkbeitrag drastisch absenken und/oder Haushalte mit geringem Einkommen ganz befreien. Wäre auch Letzteres ökonomisch zu rechtfertigen? Ja. Fernsehen ist immer nicht-rival (d.h. es gibt keine Nutzerkonkurrenz um Ressourcen). Damit sind die Grenzkosten, also die Inkrementalkosten pro Zuschauer, immer null und alle Kosten fix. Bei hohen Fixkosten ist eine Preissetzung nach Zahlungsbereitschaft (d.h. häufig nach Zahlungsfähigkeit bzw. Einkommen) aber auch für normale marktwirtschaftliche Unternehmen mit Gewinnabsicht eine übliche Methode sofern eine Preisdifferenzierung technisch realisierbar ist.

Sind wir nun also für den Antrag? Die Linken fordern eine Aussetzung der Zwangsvollstreckung für Nichtzahler, das heißt bei solchen Leuten, die die geltenden Gesetze verletzen. Die AfD ist aber die „Partei des Rechtsstaates“ (und wir würden uns wünschen, dass auch andere Politiker, speziell in Berlin, die geltenden Gesetze mehr respektieren würden). Deshalb kann die AfD-Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen und wird sich enthalten.